Das Pamirgebirge in Tadshikistan lockt mit fast unberührter Wildnis
Von Ute Müller
Gulandon Imomnazarowa strahlt übers ganze Gesicht. »Willkommen im Paradies«, sagt die 37-Jährige und zeigt auf die blühenden Obstbäume in ihrem Garten. Dahinter ranken die weißen Gipfel des Pamirs, des zweithöchsten Gebirges der Welt, in den tiefblauen Himmel. Wir befinden uns in Chorug, dem größten Ort der abgeschnittenen Region Berg-Badachschan, rund 550 Kilometer südöstlich von Tadshikistans Hauptstadt Duschanbe.
Gulandon hat eine üppige Tafel für ihre Gäste vorbereitet, sechs Nachbarinnen haben ihr dabei geholfen. Tadshikistan ist ein muslimisches Land, doch wie fast alle Bewohner der Pamirregion ist Gulandon Ismailitin und vertritt damit eine vergleichsweise liberale Richtung des Islam. Frauen sind in der Regel unverschleiert und tragen bestenfalls ein kleines Kopftuch »Wir halten hier alle zusammen und lassen uns von den Männern nichts vorschreiben«, sagt sie und lacht. Gulandon, die früher als Trachtennäherin ihr Geld verdiente, firmiert als Inhaberin einer kleinen Herberge, ihre Freundin Nigiva betreibt einen eigenen Laden.
Stolz zeigt man uns das Foto des Aga Khan, des geistigen Oberhaupts der Ismailiten. Sein Bild hängt in jedem Haus im Pamirgebirge, der Heimat der rund 200 000 Ismailiten in Tadshikistan und dem benachbarten Afghanistan. Doch jetzt ist erst einmal Essenszeit. Wir sitzen im Schneidersitz auf Sitzkissen um die erhöhte Tafel mit ihren typischen Holzbalken. Tagsüber dient die Tafelbank als Ess- und nachts als Schlafplatz.
Der wahre Herrscher ist der Aga Khan
Knappe 15 Stunden dauerte die Anreise von Duschanbe nach Chorugh. Der Geländewagen wand sich unentwegt entlang enger Schluchten, schwindelerregender Bergpässe und überquerte zahlreiche reißende Gebirgsbäche. Es war ein Glück, dass kein Erdrutsch den Weg blockierte, das kommt nämlich häufig vor. Mit dem Helikopter verkürzt sich die Reisezeit auf 75 Minuten, doch der fliegt nur bei guter Sicht über die Fünf- und Sechstausender. Außerhalb der Sommermonate bleiben aber fast immer Wolken in den Gipfeln hängen.
Gulandon hat sich am Fuße des Pamirgebirges eine neue Existenz aufgebaut. Sie floh mit ihrem Mann aus der Hauptstadt während der Wirren des Bürgerkriegs (1992 bis 1997), der in Tadshikistan nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem dadurch entstandenen Machtvakuum ausbrach. Bis heute hat sich das zentralasiatische Land nicht davon erholt, laut Statistik ist Tadshikistan eines der ärmsten Länder der Welt.
Zumindest in Chorug mit seinen gepflegten Parkanlagen ist davon wenig zu spüren. Auch Präsident Emomali Rachmonow, der das Land seit achtzehn Jahren mit eiserner Hand regiert, hat hier eine imposante Sommerresidenz, direkt neben dem botanischen Garten. Die Bewohner sind stolz auf ihre »University of Central Asia«, die ebenfalls von der Aga-Khan-Stiftung errichtete wurde. Der Aga Khan war es auch, der während des Bürgerkriegs Lebensmittel in die abgeschiedene Region einfliegen ließ. Für die Menschen hier ist er der wahre Herrscher.
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