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Geigen für Kabul: Interview mit Dr. Ahmad Sarmast

Zur Zeit der Taliban waren öffentliche Konzerte in Afghanistan genauso verboten wie der Besitz von Instrumenten. Doch seit zwei Jahren erfährt klassische und traditionell afghanische Instrumentalmusik wieder einen Aufschwung – dank des Aufbaus des Nationalen Musikinstituts. Martin Gerner hat sich mit dem Musikberater und Projektleiter des Instituts, Dr. Ahmad Sarmast, unterhalten.

Dr. Ahmad Sarmast; Foto: Martin Gerner
 Dr. Ahmad Sarmast: „Ich bin zuversichtlich, dass die afghanischen Musikinstrumente und -formen, die in den letzten drei Jahrzehnten des Krieges verschwunden waren, wieder zum Leben erweckt werden.

“ Warum planen Sie eine Musikschule in Kabul?

Ahmad Sarmast: Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lage der Musik in Afghanistan und den Erfordernissen, die daraus erwachsen, aber auch angesichts der positiven Rolle, die eine organisierte Musikerziehung dabei spielen kann, der afghanischen Musiktradition auf die Beine zu helfen, haben wir uns entschieden, ein festes Musikinstitut einzurichten.

Ein weiterer Faktor dabei war die heilende Kraft der Musik und ihre Bedeutung für das Zusammenwachsen unterschiedlicher Ethnien im Land.

Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass Musik auch in ökonomischer Hinsicht eine wichtige Rolle zukommen kann, so nicht zuletzt bei der Bekämpfung der Armut. Aus diesem Grund initiierte das afghanische Ministerium für Erziehung dieses Projekt, das auch von der Weltbank gefördert wird. Schließlich soll es auch Hunderten von Waisen und anderen benachteiligten und unterprivilegierten Kindern eine nachhaltige Perspektive für die Zukunft bieten. Geplant sind eine allgemeine musikalische Ausbildung sowie eine spezielle Instrumentalausbildung – sowohl in traditioneller afghanischer wie in klassischer westlicher Musik.

Welchen Einfluss hatte die Erfahrung des Krieges auf die musikalischen Traditionen des Landes?

Sarmast: Eine musikwissenschaftliche Untersuchung zur Lage der Musik im Afghanistan der Post-Taliban-Ära ergab, dass der Krieg und die Zerstörungen der letzten dreißig Jahre, genauso wie die Emigration und die Diskriminierung der Musik und ihrer Interpreten dieser Tradition schweren Schaden zugefügt hat. So gibt es beispielsweise für einige Musikinstrumente, die bis noch vor gar nicht langer Zeit in der modernen wie klassischen afghanischen Musik eingesetzt wurden, inzwischen keinen einzigen ausgebildeten Musiker mehr.

Es gibt niemanden, der die sārang (Kurzhalsgeige), die sarod (lautenähnliches Zupfinstrument) oder den santūr (eine Art Hackbrett) spielen kann. Und auch für die dilruba (ein der sārang ähnliches Instrument) gibt es nur noch einen Instrumentalisten, der sein Können und seine Erfahrung an andere weitergeben kann. Ähnliches lässt sich auch über einige musikalische Formen und Genres der traditionellen afghanischen Musik sagen.

Webseite des ANIM
Das Nationale Musikinstitut Afghanistans (ANIM), das im März 2010 offiziell eröffnet wird, wird unter anderem auch vom Auswärtigen Amt und vom Goethe-Institut unterstützt.

Andere Probleme, mit denen die Musik in Afghanistan und ihre Entwicklung zu kämpfen haben, erwachsen aus der musikalischen „Invasion“ aus dem Ausland, die von den privaten Radio- und Fernsehsendern im Land unwissentlich gefördert wird. Weiterlesen

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